Sie befinden sich hier:

Die Zukunftspraxis

Mehr Freiheit oder die „Amazonisierung des Gesundheitswesens“?

Die Digitalisierung verändert die Gesundheitsversorgung, von der Diagnostik mittels Patientenavataren bis hin zur Therapie via App. Dazwischen wird ein ganzes Spektrum telemedizinischer Möglichkeiten verfügbar. Wie können Mediziner:innen all das nutzen, um ihr Berufsbild selbst zu gestalten? Und wie schaffen sie Modelle, die auch noch die Patientenschaft überzeugen? Darüber sprach Prof. Dr. David Matusiewicz in unserem Web-Seminar.

Digitalisierung: Der Arzt bleibt im Driver’s Seat 

Technische Neuerungen wie z.B. Digital Twins oder Disease Interception auf Basis von Biomarkern und Telemonitoring wecken überzeugende Erwartungen an die Behandlungsqualität. Gleichzeitig sind Patient:innen heute besser informiert und stellen neue Ansprüche. Sie googeln vor dem Termin, wollen diesen am liebsten online buchen und sich unnötige Wege sparen. Das prägt die Arztwahl.

„Dieses Abstimmen mit den Füßen verändert Ihre Arztpraxis,“ sagt Prof. Dr. Matusiewicz. Was das konkret für den Arztberuf heißt: „Die Rolle des Arztes wird sich ein Stück weit verändern. Bei der Diagnostik wird die Technik eine größere Rolle spielen, aber ab dem Moment, wo es an die Therapie geht, wird der Arzt im Driver’s Seat bleiben.“ 

Picture of Prof. Dr. David Matusiewicz

Prof. Dr. David Matusiewicz

Prof. Dr. David Matusiewicz ist Dekan und Institutsdirektor der FOM Hochschule und Experte in den Bereichen Digitalisierung im Gesundheitswesen sowie digitale Gesundheit.

Neue Möglichkeiten, den Arztberuf selbst zu gestalten 

Die einen fürchten die Investorenmedizin, die anderen sehen die Digitalisierung als Chance für mehr Autonomie. Prof. Matusiewicz ist überzeugt: „Wir kommen in eine Welt, in der beides möglich sein wird.“ Und das könnte so aussehen:
4 Praxismodelle für die Zukunft: 

  1. Hybride Praxen 

    „Ich glaube, in Zukunft werden viele Praxen einen eigenen telemedizinischen Behandlungsraum haben“, so Matusiewicz. Und es wird Anbieter geben, die die Hard- und Software dafür als Komplettpaket nach dem Plug-and-Play-Prinzip anbieten, damit es einfacher wird, neue Technologien einzubinden. „Dann behandeln Sie um 10.15 Uhr einen Patienten in Zimmer 2 und um 10.30 Uhr geht es zur Videosprechstunde ins Telemedizinzimmer.“ 

  2. Telemedizinische Selbstzahlermodelle 

    Freiberufliche Ärzte können mit Hilfe von Videosprechstunden und Online-Bezahldiensten relativ einfach ihren eigenen Telemedizindienst gründen. Schon jetzt zeigt sich am Beispiel diverser Start-ups, dass viele Patient:innen bereit sind, aus eigener Tasche dafür zu zahlen, wenn sie etwa deutlich früher einen Termin erhalten oder am Wochenende behandelt werden.  

  3. Aufgabenteilung via Telemedizin

    „Es gibt bereits Modellprojekte in ländlichen Regionen, in denen kein Arzt vor Ort ist. Dabei nimmt eine MFA die physische Untersuchung vor, misst den Blutdruck etc., und der Arzt ist per Videosprechstunde zugeschaltet“. Auch das ist in den Augen des Experten ein Zukunftsmodell, das zudem noch Versorgungslücken schließen kann. 

    Über eine solche Initiative berichteten wir bereits in unserem Blog-Beitrag zur Telemedizin in der Pflege ≫ zum Artikel.

  4. Medizinische Co-Working-Spaces 

    In vielen anderen Bereichen gibt es Co-Working-Spaces bereits: Vollständig ausgestattete Arbeitsplätze, die man sich mit anderen teilt. Das ist auch in der Medizin denkbar. So hätten Ärzt:innen einen Arbeitsplatz, der immer auf dem neuesten Stand der Technik ist, ohne große Investitionen zu tätigen. Sie würden eine Nutzungsgebühr zahlen, aber selbst liquidieren und wären weiterhin freiberuflich tätig. „Ergo sie können sich von Minute 1 bis zur letzten Minute in der Praxis nur um ihre Patienten kümmern,“ was für Prof. Matusiewicz ein großer Vorteil ist. 

Die Medizin braucht ein ganz neues Skill-Set  

Der Arztberuf wird in seiner Ausübungsform also vielseitiger werden. Neue Berufsmodelle ermöglichen eine bessere Work-Life-Balance, mehr reine Behandlungszeit und bessere Behandlungsergebnisse für die Patient:innen. Um die eigene ärztliche Praxis entsprechend zu gestalten, braucht es jedoch ein ganz neues Skill-Set: 

People Skills

  • Life-Long-Learning autodidaktisch, z.B. zu digitalen Themen – der Trend geht zu Microlearning in kurzen Lerneinheiten wie Web-Seminaren 

Market Skills

  • Branchenentwicklungen am Healthcare Market verfolgen
  • Healthcare Digital Skills: Was Algorithmen, Blockchain, Robotik etc. sind, erklärt übrigens das digitialhealthlexikon, das Prof. Dr. Matusiewicz betreut.
  • Healthcare Marketing & Kommunikation in den sozialen Medien, beruflichen Netzwerken, der eigenen Website und via Pressearbeit

People Skills

  • Emotionale Kompetenz im Umgang mit Diversität, Konflikten und Fehlermanagement 

  • Präsentationsfähigkeiten zur Vermittlung von Wissen im Team und gegenüber Peers 

  • Verfassen von fachlichen Beiträgen – hier spielen neben Fachbeiträgen auch Erklärformate für die Patient:innen eine immer größere Rolle 

Special Skills

-nach Bedarf

  • Projektmanagement, z.B. für die Implementierung von Neuerungen in der Praxis 

  • Methoden zur Lösungsfindung für wissenschaftliche Arbeiten 

  • Und: Networking

Der Austausch wird immer wichtiger. Mit welchen Dienstleistern wurden gute Erfahrungen gemacht? Wo bekomme ich Hilfe bei Rechts- und Datenschutzfragen? Dafür braucht es Netzwerke.

Fazit: Der Arztberuf wird flexibler 

Für Patient:innen ermöglichen neue Technologien bessere Prävention und Therapien. Doch auch Sie als Mediziner:in können große Vorteile daraus ziehen: präzisere Diagnosen, mehr Gestaltungsfreiheit bei der Berufsausübung und mehr Zeit für das Wichtigste: die Behandlung. Deshalb ist es für Ärzt:innen unerlässlich, sich auch mit abstrakten Themen wie Blockchain, Digital Twins und der Digitalisierung allgemein auseinanderzusetzen. 

 

Vereinfachen Sie Ihre 
Praxiskommunikation mit medflex