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Ernährungstherapie erfolgreich in die Behandlung einbinden

So geht es digital

Der Ernährungsberater als Expertokrat, der zu mehr Verzicht und Gemüse mahnt – dieses Bild zeichnet vieles, was online kursiert. Doch: „Nur 5 % der Ernährungsinformationen im Internet stammen von Fachkräften“, weiß die zertifizierte ernährungstherapeutische Beraterin Sonja Mannhardt. Für sie ein triftiger Grund, Medizin und Ernährungstherapie enger zu verzahnen und sich digitalen Kanälen zu öffnen. Wie das in der Praxis aussieht, verriet sie im medflex Web-Seminar.

Sonja Mannhardt

Sonja Mannhardt

Diplom Oecotrophologin und geschäftsführende Gesellschafterin der Praxis für ernährungspsychologischen Beratung www.gleichgewicht4you.de und des Internationalen Beraternetzwerks prof. e.a.t. D-A-CH (qualifizierte Ernährungsfachkräfte mit ernährungspädagogischer und ernährungspsychologischer Zusatzkompetenz)

Was ist die zertifizierte Ernährungstherapie? 

Die Anwendung einer adäquaten Ernährungstherapie muss frühzeitig beginnen, langfristig ausgelegt sein und von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft begleitet werden

 Während Ärzt:innen Informationen zu diagnosegerechter Ernährung vermitteln, haben sie meistens gar nicht die Zeit, Patient:innen bei der Umsetzung im Alltag zu begleiten. Hier kommt die ernährungstherapeutische Beratung ins Spiel, die einen ganzheitlichen und partnerschaftlichen Ansatz verfolgt. Die Betreuung selbst gliedert sich in vier Prozessschritte: Assessment – Ernährungsdiagnose – Intervention – Monitoring & Evaluation.

„Ernährungsberatung“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Umso wichtiger ist es, mit zertifizierten Ernährungsfachkräften zu kooperieren – das ist auch Voraussetzung für die Kostenübernahme. Die finden Sie über die Experten-Datenbanken der Fachverbände (Link-Liste am Ende des Artikels).

Medizin und Ernährungstherapie in Symbiose 

Die Ernährungstherapie ist bei vielen Krankheitsbildern in den Leitlinien verankert und ein wichtiges Puzzleteil der Patient Centered Care (PCC). Sie betreut den Menschen ganzheitlich und in Kooperation mit seinem sozialen Umfeld. Das Ziel ist dabei, Hilfe zu Selbsthilfe zu geben, denn Essgewohnheiten zu ändern, fällt schwer. „Essen ist sozial und emotional verankert“, so Sonja Mannhardt, „Es befriedigt zentrale Kernbedürfnisse, zum Beispiel nach Autonomie und Nähe. Wir wollen keine Gewohnheiten ändern, denn sie haben ja ihren Sinn. Wir wollen die Handlungsmöglichkeiten erweitern.“  

Integration von Medizin und Ernährungsberatung in der Praxis 

Wie Ernährungstherapeut:innen konkret in die Behandlung eingebunden werden, ist in Sonja Mannhardts Erfahrung nach sehr unterschiedlich. Das gilt vor allem für das ambulante Setting, bei dem analoge Prozesse die Einbindung verkomplizieren – bisher zumindest. Digital ist die Trias von Medizin – Ernährungstherapie – Patient:in endlich vernetzt. So sieht das digital in der Praxis aus: 

  • Der Arzt oder die Ärztin stellt eine Ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung aus und sendet dem Patienten relevante Befunde, Laborwerte und sonstige Belege zu – z.B. über einen Praxis-Messenger. Das spart Papier und vereinfacht die Weiterleitung an die Krankenkasse. 
    Übrigens: Die ernährungstherapeutische Beratung durch zertifizierte Fachkräfte belastet das ärztliche Budget NICHT.  

  •  Der Patient beantragt mit den Unterlagen eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse. Die erfolgt in der Regel anteilig, manchmal auch vollständig je nach Versicherer und Bundesland.  

  • Der Patient vereinbart einen Termin bei der Ernährungsberatung und leitet die Befunde per Messenger weiter.  

Was Corona an der Ernährungstherapie verändert hat 

Auf Seiten der Patient:innen hat Sonja Mannhardt beunruhigende Entwicklungen beobachtet, die auch durch Studien untermauert werden können:

„Wir haben viel mehr multimorbide Patienten, die mehrere ICD-10-Ziffern mitbringen. Es gibt mehr Somatisierungen. Diabetiker haben oft schlechtere Werte und die Anzahl der schwer Übergewichtigen ist massiv angestiegen. Ebenso Patienten mit Essstörungen. In Kliniken können diese häufig gar nicht mehr aufgenommen werden, weil die Kapazitäten für Menschen mit Depressionen und Suizidgefahr benötigt werden.“  

Hinzu kam, dass viele Patient:innen aus Sorge Termine absagten und ZZP-Kurse ausfallen mussten. Es entstand also zunächst ein Versorgungsvakuum. „Wir haben daraufhin begonnen, unsere Prozesse zu digitalisieren und eine ONLINE Akademie zu gründen“, erinnert sich die Geschäftsführerin der prof e.a.t. Akademie und der prof e.a.t. ESSperten. So konnten sie und ihre Kolleg:innen das Beratungs- und Seminargeschäft trotz Pandemie wieder aufnehmen. 

Die Vorteile der digitalen Einbindung von Ernährungstherapie 

Von der Arzt- bis zur Patientenkommunikation sind digitale Prozesse bei prof e.a.t. jetzt fest etabliert. „Das wird nicht mehr weggehen und das wollen wir auch nicht. Es verschafft uns viel mehr Möglichkeiten, mit dem Patienten zu arbeiten. Er entscheidet über welchen “Kanal” er mit uns in Verbindung treten möchte (in Präsenz, via Messenger, via Videosprechstunde) und von wo er sich zuschaltet, unabhängig vom Wohnort. Auch die Kooperation mit den Kollegen hat sich auch wesentlich verbessert, z.B. durch regelmäßige Supervisionsgruppen, in denen man sich Fälle ansieht und sich gegenseitig hilft, weiterzukommen. Das wäre länderübergreifend ohne Videokonferenzen nicht ohne Weiteres möglich.“

Als weitere Vorteile nennt Sonja Mannhardt: 

  • Kurze Kommunikationswege mit allen Beteiligten 

  • Bessere Synergien zwischen Medizin und Ernährungstherapie 

  • Überregionale Sichtbarkeit und flexibleres Arbeiten 

  • Einen intensivieren und effektiveren Nutrition-Care-Prozess (NCP)

  • Kosten- und Zeitersparnis für Patient:innen (keine Anfahrt, keine Wartezeiten)

  • Sicherheit für Schwersterkrankte: keine Ansteckungsgefahr für immunsupprimierte Patient:innen

Digitales Arbeiten: Beispiele aus der Praxis 

Administration

Befunde, Laborwerte und Berichte erhalten wir jetzt oft digital vom Arzt anstatt des Papierstapels, den Patienten sonst dabeihaben.

Ein häufiges Problem: Fehlende Schnittstellen machen den direkten Export zwischen Softwareanwendungen unmöglich. Als plattformunabhängige Lösung bietet medflex ein einfaches Workaround: Dateien lassen sich per Drag-and-Drop übertragen und DSGVO-konform versenden

Videokonsile

„Wir nutzen Videogespräche für Konsile in beide Richtungen“, sagt Sonja Mannhardt. Vor allem mit Patient:innen sind Videotermine eine große Hilfe, denn die Inaugenscheinnahme ist wichtig. Sie berichtet von einem Tumorpatienten, der sagte, er habe stark am Bauch zugenommen. Als er im Online-Meeting zeigte, wo, läuteten bei ihr die Alarmglocken. Hier war eine medizinische Abklärung nötig. Dieses Beispiel verdeutlicht auch die Vorteile einer engen Vernetzung der Fachkräfte.

Visualisierungen

Erkläre mir, und ich vergesse, zeige mir, und ich kann lernen, beteilige mich und ich verstehe.

Bei Frau Mannhardts Präsentation fällt auf, wie häufig visuelle Hilfsmittel zum Einsatz kommen. In Videogesprächen lassen sich Schaubilder und Nährstoffkarten leicht einbinden. Die Ernährungstherapeutin setzt außerdem anstatt schriftlicher auf fotografische Ernährungstagebücher: Klient:innen machen Fotos ihrer Mahlzeiten und senden sie ihr im Chat zu. Das geht schnell und macht deutlich mehr Freude, als zu protokollieren. prof e.a.t. hat eine professionelle Beratermappe entwickelt und über 300 ernährungstherapeutische, interaktive Tools für alle relevanten Indikationen. 

Gesundheits-Tracker und Smartwatches

Bewegungs- und Gesundheitsdaten liefern wertvolle Erkenntnisse für das Assessment und Monitoring bei der Ernährungstherapie. 

Virtuelle Gruppen

Bei vielen Krankheitsbildern fühlten sich Betroffene seit Pandemiebeginn allein gelassen, da Selbsthilfegruppen ausfielen. Deshalb initiierte das Netzwerk um Sonja Mannhardt virtuelle Treffen, z.B. ein digitales Frauen-Cancer-Frühstück. 

Digitale Fort- und Weiterbildungen

Von Supervisionen über die betriebliche Gesundheitsförderung bis hin zu Vorträgen für Patient:innen eignen sich Videokonferenzen. „Wir haben seit Pandemiebeginn mehr als 70 Veranstaltungen digital durchgeführt“, sagt Sonja Mannhardt. Der Vorteil: Das Einzugsgebiet ist digital viel größer. So haben Klient:innen einen leichteren Zugang zu Fachkräften, die auf Ihre Erkrankung, Verhaltensmodifikation und Ernährungspsychologie spezialisiert sind.

Wichtig: Egal ob als Arzt oder in der Ernährungsberatung, wann immer Patientendaten im Spiel sind, greift der Datenschutz. Tools wie WhatsApp, Skype oder Zoom bieten nicht die nötige Sicherheit! 

  • Schritt 1: Ein Tool mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wählen – auch bei mehr als 2 Teilnehmenden. Eine sichere Wahl ist ein KBV-gelisteter Videodienstanbieter.

  • Schritt 2: Vor der ersten Videositzung die Einwilligung Ihrer Patient:innen einholen. medflex löst das direkt in der Anwendung: Der Teilnehmer muss sein Einverständnis durch das Setzen eines Häkchens geben, ehe er in die Videositzung gelangt. 

Digitale Kommunikation verbessert den persönlichen Kontakt 

Zu 85 % hängt der Erfolg der Ernährungstherapie von der Beziehung zwischen Berater und Patient ab“, sagt Sonja Mannhardt. Umso wichtiger ist der persönliche Draht und die Möglichkeit, auch zwischen den Beratungsterminen in Kontakt zu bleiben. Auch dafür nutzt sie einen Messenger, „Darüber können mir Klienten, z. B. mit Essstörungen, in SOS-Situationen schreiben und ich kann direkt reagieren.“ 

Warum Fachleute im Internet präsenter werden müssen

Ernährungsmediziner:innen und -fachkräfte möchten selten zu Social-Media-Sternchen avancieren. Und doch betont Sonja Mannhardt, wie wichtig es ist, sich neuen Medien zu öffnen:  

Überlassen Sie das Feld nicht denen, die am lautesten schreien.

Influencer und Laien beherrschen den Online-Diskurs. Sie holen Likes mit emotionalisierten Inhalten, doch oft verbreiten sie ein verzerrtes Körperbild, das zu Fehlernährungen oder gar Essstörungen führt. Umso wichtiger, dass auch Ärzt:innen ihren Share-of-Voice im Internet nutzen, um Fehlinformationen zu entmachten.

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Sonja Mannhardt

Sonja Mannhardt

Diplom Oecotrophologin und geschäftsführende Gesellschafterin der Praxis für ernährungspsychologischen Beratung www.gleichgewicht4you.de und des Internationalen Beraternetzwerks prof. e.a.t. D-A-CH (qualifizierte Ernährungsfachkräfte mit ernährungspädagogischer und ernährungspsychologischer Zusatzkompetenz)

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