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Rechtliche Perspektiven der Telemedizin

Aus der Praxis für die Praxis

Die Fernbehandlung in Medizin und Psychotherapie hat großes Potenzial sowohl für Praxen als auch für Patient:innen. Doch wie sichern sich Ärzt:innen und Therapeut:innen rechtlich ausreichend ab? Die Anwältin für Medizinrecht Sylvia Manteufel spricht mit uns über die rechtlichen Perspektiven der Telemedizin. Sie klärt unter anderem darüber auf, was juristisch in Bezug auf die Berufshaftpflichtversicherung und den „Fernbehandlungsvertrag“ bedacht werden sollte.

Sylvia Manteufel

Sylvia Manteufel

Rechtsanwältin, Kanzlei für Telemedizin & Medizinrecht

Die Rechtsanwältin für Medizinrecht schöpft aus ihrer Berufserfahrung in renommierten Kanzleien mit entsprechender Spezialisierung in diesem Rechtsgebiet seit dem Jahr 2007. Der medizinrechtliche Schwerpunkt prägt nun auch ihre eigene Kanzlei in Leipzig. Auf Leistungserbringerseite stehend unterstützt sie ihre Mandanten bundesweit in sämtlichen Rechtsfragen der Telemedizin sowie in der Prüfung damit einhergehender gesundheitsdatenschutzrechtlicher Aspekte.

Der Einsatz telemedizinischer Verfahren bietet zahlreiche Chancen

Der Einsatz von Telemedizin im ärztlichen Berufsalltag weist im Hinblick auf eine optimierte Patientenversorgung enormes Potenzial auf. Und doch bedeuten Bedenken rechtlicher Art oftmals noch eine Hürde bezüglich deren Implementierung in die ambulante Berufspraxis.

 „Fragt man Ärzte, was unter dem Begriff Telemedizin zu verstehen ist, so gehen hier die Meinungen zum Teil stark auseinander“, weiß Sylvia Manteufel aus ihren Beratungen. „Dabei ist beispielsweise die Telefonsprechstunde, die derzeit von vielen Ärzten in der Pandemie genutzt wird, bereits Telemedizin.“ Die meisten Ärzt:innen führen also schon Fernbehandlungen durch, ohne dass es ihnen explizit bewusst ist. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, zu wissen, welche juristischen Aspekte mit dem Einsatz von Telemedizin im ärztlichen Berufsalltag verbunden sind.

Die Berufshaftpflichtversicherung

Sorgen Sie für ausreichenden Versicherungsschutz

Sind alle Risiken in sachlicher Hinsicht erfasst?

Bei der Fernbehandlung setzen Sie Informations- und Kommunikationstechnologien ein. Diese können, genau wie Ihre gesamte Praxis-IT, ins Visier von Hackern geraten. Deshalb empfiehlt Sylvia Manteufel: „Ihre Berufshaftpflichtversicherung sollte unbedingt – neben den spezifischen Risiken telemedizinischer Leistungserbringung – auch die finanziellen Folgen von Cyber-Kriminalität absichern.“

Ist ein ausreichender Deckungsschutz vorhanden?

Je nach fachspezifischen Risiken ärztlicher Tätigkeit liegen die Empfehlungen bei:

  • 5 bis 10 Mio. EUR für Personenschäden und Sachschäden und

  • 200.000 bis 500.000 EUR für Vermögensschäden.

  • Für Vertragsärzte gibt es diesbezüglich neue gesetzliche Vorgaben, so insbesondere die Bestimmung von Mindestversicherungssummen.

Relevanz internationaler Aspekte

Patient:innen können dank des Einsatzes telemedizinischer Verfahren theoretisch überall auf der Welt sitzen. Wenn Sie Patient:innen aus dem Ausland beraten, sollten Sie klären, ob in diesem Fall Ihre inländische Berufshaftpflichtversicherung greift.

Der „Fernbehandlungsvertrag“ – was ist das eigentlich?

„Den Fernbehandlungsvertrag als solchen gibt es streng genommen nicht“, klärt die Anwältin auf. „Auch beim Einsatz von Telemedizin kommt wie bei jeder herkömmlichen Behandlung vor Ort ein Behandlungsvertrag mit allen Rechten und Pflichten (Facharztstandard, Aufklärung/Einwilligung, Dokumentation) zustande.“

Aufklärung: Ist eine Fernaufklärung zulässig?

Die derzeit geltende Rechtslage bringt noch erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Frage des Ob und des Wie der Fernaufklärung mit sich. Hier empfiehlt Sylvia Manteufel, die weitere Entwicklung im Blick zu behalten. Außerdem sei es sinnvoll, diese Fragestellung mit einem Anwalt Ihres Vertrauens zu besprechen, wenn Sie sich für die Durchführung einer Fernaufklärung entscheiden.

Dokumentation

Hier gibt es keinen Unterschied zwischen der digitalen und der analogen Welt. „Auch eine Fernbehandlung muss vollumfänglich und revisionssicher dokumentiert werden“, stellt die Rechtsexpertin fest.

Fazit: Innovationsoffenheit und Innovationsverantwortung leben

Die Fernbehandlung bietet zahlreiche Chancen für eine optimierte Patientenversorgung, wenngleich juristisch noch nicht alle Details abschließend geregelt sind. Wenn Sie telemedizinische Anwendungen in Ihren Behandlungsalltag integrieren möchten:

  • Achten Sie in Bezug auf Ihre Berufshaftpflichtversicherung auf ausreichenden Versicherungsschutz.

  • Denken Sie daran, dass dabei ein Behandlungsvertrag mit allen Rechten und Pflichten (Facharztstandard, Aufklärung/Einwilligung, Dokumentation) zustande kommt.

  • Holen Sie im Zweifelsfall anwaltlichen Rat ein.

Echten Fortschritt bringt Digitalisierung dann, wenn es Ihnen in Ihrem medizinischen Berufsalltag dauerhaft gelingt, Innovationsoffenheit und Innovationsverantwortung zu leben.

Regina Phalange
Regina Phalange
Seit Anfang 2021 geht die Content Spezialistin für medflex auf die Pirsch nach spannenden Themen aus den Bereichen eHealth und Telemedizin. Ihr Schwerpunkt liegt auf den praktischen Einsatzmöglichkeiten und der Implementierung neuer Technologien in der Praxis.

In diesem Artikel

Sylvia Manteufel

Sylvia Manteufel

Rechtsanwältin, Kanzlei für Telemedizin & Medizinrecht

Die Rechtsanwältin für Medizinrecht schöpft aus ihrer Berufserfahrung in renommierten Kanzleien mit entsprechender Spezialisierung in diesem Rechtsgebiet seit dem Jahr 2007. Der medizinrechtliche Schwerpunkt prägt nun auch ihre eigene Kanzlei in Leipzig. Auf Leistungserbringerseite stehend unterstützt sie ihre Mandanten bundesweit in sämtlichen Rechtsfragen der Telemedizin sowie in der Prüfung damit einhergehender gesundheitsdatenschutzrechtlicher Aspekte.