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Abrechnung der Patientenkommunikation in der Arztpraxis

Videosprechstunde und Kontakte über Telefon, SMS, Chat & Co richtig abrechnen – ein Status Quo zu den aktuellen EBM Ziffern

18 % aller Bundesbürger:innen haben bereits mindestens einmal eine Videosprechstunde mit Ärzt:innen oder Therapeut:innen wahrgenommen. Ganze 79 % der Befragten plädierten dafür, das Angebot für Videosprechstunden auszubauen. Der Trend zu digitalen Leistungen wächst. Für Ärzt:innen und Therapeut:innen stellt sich zunehmend die Frage, wie sie Leistungen zur Patientenkommunikation vergütet bekommen, die nicht unmittelbar in der Praxis stattfinden. Abrechnungsexpertin Meike Schmucker erklärte uns in einem Web-Seminar, wie Sie die Videosprechstunde richtig abrechnen und wie es sich mit anderen Kommunikationswegen wie Fax, E-Mail, Messenger, SMS und Telefon verhält.

Arzt oder Ärztin am Tisch bei der Abrechnung
Meike Schmucker, LL.M. (Medizinrecht)

Meike Schmucker, LL.M. (Medizinrecht)

Nach dem rechtswissenschaftlichen Studium und Referendariat mit jeweils medizinrechtlichen Schwerpunkt und Masterstudiengang Medizinrecht war Meike Schmucker mehr als drei Jahre als juristische Referentin in der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe tätig. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag in der Bearbeitung von Plausibilitätsverfahren und abrechnungsrelevanten Widerspruchsverfahren. 2019 wechselte Meike Schmucker als Consultant Arztmarkt zur BFS health finance GmbH.
Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet von medizinrechtlichen Fragestellungen und kassenärztlichen Abrechnungsthemen. Dies umfasst unter anderem die Beratung zur Verbesserung der kassenärztlichen Abrechnung sowie die Begleitung und Unterstützung in abrechnungsbezogenen Prüfungsverfahren im Bereich der GKV.

EBM Abrechnung der Videosprechstunde

Die Videosprechstunde wird über die bekannten Pauschalen des EBM je nach Arztgruppe abgerechnet. Es gibt hier grundsätzlich keine Besonderheit. Das heißt, die Patientin oder der Patient nimmt eine Videosprechstunde wahr und Sie tragen die Versicherten-/Grundpauschale (ausgenommen GOP 03030, 04030, 12220 und 12225) zuzüglich der jeweiligen Zuschläge ein. Daneben können Sie – wie im Fall einer normalen Sprechstunde – grundsätzlich keine zusätzlichen Ziffern für weitere Arzt-Patienten-Kontakte abrechnen.

Was bedeutet die Pseudo-GOP 88220 bei der Abrechnung in der Arztpraxis?

Eine spezielle Voraussetzung ergibt sich bei der Kennzeichnung mit der sogenannten Pseudo-GOP 88220. Diese EBM-Ziffer kennzeichnet, dass ein ausschließlich digitaler Kontakt zwischen Arzt/Ärztin und Patient:in in der Videosprechstunde stattgefunden hat.

Junge Frau mit Fieberthermometer in der Hand sitzt vor dem Laptop in Videosprechstunde mit Arzt

Die GOP 88220 hat keinen Abrechnungswert, sondern soll ausschließliche Videokontakte kenntlich machen. Deshalb sollten Sie die Ziffer immer dann eintragen, wenn der erste Kontakt im Quartal zwischen Ihnen und dem/r Patient:in per Video stattfindet. Ein (weiterer) persönlicher Kontakt macht die Ziffer überflüssig. Heißt: Findet als erstes ein Kontakt per Video und dann gegebenenfalls weitere Kontakte persönlich statt, wird die Ziffer wieder gelöscht.

Gibt es weitere besondere EBM Ziffern zur Abrechnung der Videosprechstunde?

Es gibt bestimmte Ziffern, die ausschließlich dafür da sind per Video erbracht und abgerechnet zu werden. Das ist z. B. bei Videofallkonferenzen oder Telekonsilen der Fall. Auch der Authentifizierungszuschlag (GOP 01444 EBM) und der Technikzuschlag (GOP 01450 EBM) können in einer normalen Sprechstunde nicht abgerechnet werden.

Tipp von Meike Schmucker

Die KBV stellt hier eine sehr wichtige Übersicht zu Gesprächsleistungen, die in der Videosprechstunde berechnungsfähig sind, zur Verfügung.

EBM Ziffer Technikzuschlag 01450

Der Technikzuschlag 01450 ist bei der Abrechnung der Videosprechstunde eine der wichtigsten Ziffern, die Sie bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt per Video, auch mehrmals im Behandlungsfall, abrechnen können. Beachten Sie bitte, dass es für diese Ziffer eine ganz spezielle Limitierung gibt:

Mit dem maximalen Punktzahlvolumen je Arzt kann jeder Arzt in einer Praxis 50 Videosprechstunden erbringen und mit dem Technik-Zuschlag GOP 01450 abrechnen.

Wird ein 51. Technik-Zuschlag in einer Videosprechstunde abgerechnet, wird die mit 4,51€ vergütete Ziffer 01450 nicht mehr voll vergütet. Wie hoch diese Quotierung ist, hängt von der jeweiligen KV ab. Diese spezielle Limitierung der GOP 01450 EBM ist unabhängig von den „normalen“ Budgets der Praxen (RLV/QZV bzw. individuelle Leistungsbudgets).

EBM Ziffer Authentifizierungszuschlag 01444

Bei der Ziffer 01444 gibt es keine eigene Limitierungsregelung. Bei neuen unbekannten Patient:innen, d.h. Patient:innen, die noch nie oder nicht im selben oder im Vorquartal in der Praxis waren, erhält die Praxis mit dieser Ziffer einen Dienstleistungszuschlag. Dieser vergütet den Verwaltungsaufwand, um die Daten der neuen Patient:innen einzupflegen.

Darüber hinaus gibt es EBM-Ziffern, die nicht speziell für die Videosprechstunde gedacht sind, aber auch für diese angewendet werden dürfen.

Die „30%-Limitierung“ bei der Videosprechstunde einfach erklärt

Illustration einer Frau mit Laptop auf einer runden Anzeige, die 30 Prozent zeigtJe Arzt/Ärztin je Quartal dürfen maximal 30% der Behandlungsfälle und der Leistungsmenge, d.h. Gebührenordnungspositionen, per ausschließlichem Videokontakt erbracht werden. Das bedeutet, dass Sie im Grunde jeden 3. Patienten ausschließlich per Video behandeln dürften. Wichtig ist, dass diese 30%ige Limitierung nur bei den ausschließlichen Kontakten per Video zum Tragen kommt, die also mit der Pseudo-GOP 88220 gekennzeichnet sind. Stellt sich der Patient oder die Patientin im selben Quartal noch einmal persönlich vor, hebt das die Begrenzung ohnehin auf.

Haben Sie auch Fälle in der Abrechnung, in denen Patient:innen sowohl persönlich als auch per Video in der Praxis waren, kommt die 30%ige Limitierung erst gar nicht zur Anwendung.

Tipp von medflex

Weitere Infos zur 30% Limitierung können Sie unserer Infografik entnehmen.

Abschläge

Wenn ein Behandlungsfall im Quartal ausschließlich nicht-persönlich stattgefunden hat – das können ein oder mehrere Kontakte zwischen Arzt/Ärztin und Patient:in sein –, werden Abschläge auf die erbrachten Leistungen vorgenommen. Je nach Fachgruppe wird der Euro-Wert der Leistung, der im EBM festgelegt ist, gekürzt. Für Hausärzt:innen ist z. B. ein Abschlag von 20 % festgelegt.  

Abrechnung der telefonischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)

Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung war die Möglichkeit zur Ausstellung von AU bei einem ausschließlichen telefonischen Kontakt außer Kraft. Seit dem 4. August haben Vertragsärztinnen und Vertragsärzte wieder die Möglichkeit gesetzlich Versicherte nach telefonischer Anamnese für bis zu 7 Kalendertage krankzuschreiben.

Abrechnung:

  1. Sofern in demselben Quartal bereits ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt oder eine Videosprechstunde stattgefunden hat:
    Neben der Versicherten- bzw. Grundpauschale wird der Pseudo-GOP 88122 eine Kostenpauschale für das Porto (0,90 Euro) abgerechnet.
  2. Sofern in demselben Quartal noch kein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt oder per Video stattgefunden hat: der telefonische Kontakt wird mit der GOP 01435 und das Porto (s.o.) mit der Pseudo-GOP 88122 abgerechnet.

Tipp von Meike Schmucker

Weitere Informationen zur AU sind im BFS Fachbeitrag zu finden.

Links erkälteter Patient in der medflex Videosprechstunde, rechts Chatfenster mit gesendeter AU

Abrechnung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) im Rahmen der Videosprechstunde

Während der Corona-Pandemie wurde für die Videosprechstunde eine Neuerung beschlossen, welche dauerhaft gilt:

Seit Januar 2022 kann jeder GKV-Versicherte in der Videosprechstunde krankgeschrieben werden.

Wenn der Patient nur in der Videosprechstunde ist und per AU krankgeschrieben wird, gilt Folgendes:

  • Bei bekannten Versicherten – d.h. im laufenden oder Vorquartal war der Patient schon einmal in der Praxis – kann man davon ausgehen, dass die Versichertendaten aktuell sind. Das sollten Sie sich sicherheitshalber bestätigen lassen und dokumentieren.
  • Bei unbekannten Versicherten hält der Patient die Versichertenkarte in die Kamera und Sie übernehmen die Daten – das können auch MFAs für Sie erledigen. Für diese Identitätsprüfung ist die Zuschlagsziffer 01444 berechnungsfähig, da der Aufwand höher ist als bei bekannten Patient:innen.

Können DiGas per Videosprechstunde abgerechnet werden?

Die Erstverordnung einer digitalen Gesundheitsanwendung (DiGa) ist mit der GOP 01470 sowie die Verlaufskontrolle DiGa somnia mit der GOP 01471 per Videosprechstunde berechnungsfähig.

EBM-Abrechnung: Kontakte per Telefon, SMS, Chat und E-Mail

Wenn eine Beratung oder ein Kontakt nicht persönlich sondern „mittelbar“ stattfindet, müssen diese immer im Einzelfall ärztlich vertretbar sein. Der Arzt muss sich sicher sein, dass ein Telefonat, eine SMS, eine E-Mail etc. ausreichend sind und dies entsprechend dokumentieren.

Das Faxen ist in den meisten Praxen zwar noch Status quo, allerdings ist es problematisch in Bezug auf die Sicherheit der Patienten- und Gesundheitsdaten.

Ein Fax ist datenschutzrechtlich so sicher wie eine Postkarte, auf der ich etwas schreibe.

Perspektivisch sollte das Faxen vermieden oder ganz abgeschafft werden. Warum genau das Fax so problematisch ist, erfahren Sie hier in unserem Beitrag.

Sonstige Kontakte wie SMS, Chat oder E-Mails sind grundsätzlich abgegolten, sobald eine Versicherten-/Grundpauschale abgerechnet worden ist, d.h. nicht gesondert berechnungsfähig. Es sei denn …

EBM Ziffer GOP 01430 Verwaltungskomplex

In bestimmten Konstellationen besteht doch eine Abrechnungsmöglichkeit für Chat, E-Mail, Telefon und SMS. Die GOP 01430 Verwaltungskomplex findet Anwendung, wenn es gar keinen Arzt-Patienten-Kontakt gegeben hat, sondern eine bloße Verwaltungstätigkeit angestoßen wird. Das kann per Chat, E-Mail, SMS, Telefon passieren.  Wird eine Überweisung oder ein Wiederholungsrezept ausgestellt oder wird ein Befund/eine ärztliche Anordnung übermittelt, kann dies mit der Verwaltungspauschale umgesetzt werden.

EBM Ziffer GOP 01100-01102 (Unvorhergesehene) Inanspruchnahme

Weitere wichtige Ziffern sind die sogenannten Unzeit-Ziffern GOP 01100-01102, die auch ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt und immer zu den in dem EBM definierten Unzeiten berechnungsfähig sind. Dies ist z.B. bei telefonischer Kontaktaufnahme durch den Patienten der Fall. Bei den weiteren neuen Kommunikationsmöglichkeiten gibt es noch keine rechtssichere Handlungsanweisung.

Krankes Kind liegt auf der Couch, Mutter daneben am Telefon

EBM Ziffer Bereitschaftspauschale GOP 01435

Die Bereitschaftspauschale GOP 01435 ist immer dann interessant, wenn im ganzen Quartal ausschließlich ein nicht-persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat, z. B. ein Telefonat – ob bei Einzel- oder mehrköpfigen Praxen. Sobald ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt beim selben Arzt stattfindet, müsste die Ziffer zwingend gelöscht und die normale Versicherten-/Grundpauschale nebst Zuschlägen abgerechnet werden.

Hinweis: Sollte anstelle des Telefonats ein Chat-Gespräch stattfinden, spricht nach EBM-Logik grundsätzlich nichts gegen die Abrechnung der GOP 01435, vorausgesetzt der Datenschutz wird eingehalten. Hinsichtlich der „neuen“ Medien verweist Frau Schmucker jedoch darauf hin, dass es hierzu bislang keine Erfahrungswerte gibt.

Interessantes Beispiel für eine mehrköpfige Praxis

Wenn Arzt A mit einem Patienten telefoniert, kann er die GOP 01435 abrechnen. Wenn Arzt B denselben Patienten persönlich behandelt, kann auf diesem zweiten Arztfall die Versicherten-Grundpauschale abgerechnet werden. Hier sollten Sie genau überprüfen, dass die Kennzeichnung mit der lebenslangen Arztnummer in der Praxis stimmt, da gegebenenfalls 2 Kontakte abgerechnet werden können. Das unterscheidet diese Ziffer von allen anderen EBM-Konstellationen.

Fazit: Bei der Videosprechstunde ist also einiges abrechenbar…

…wie unsere Abrechnungsexpertin erklärt hat. Auch wenn die Abrechenbarkeit bei sonstigen Kontaktmöglichkeiten wie Chats eingeschränkt ist, kann man dadurch Zeit sparen. Der größte Benefit für Arztpraxen, die sich mit digitalen Leistungen gut aufstellen, ist eine Schonung von Zeit und anderen Ressourcen.

Ihre Vorteile digitaler Kommunikation mit medflex

  • Patientenanfragen digital in einem strukturierten, filterbaren Eingang erhalten
  • Zertifizierte Videosprechstunde mit stabiler Übertragungsqualität
  • Austausch von Dateien wie AUs mit Patient:innen während der Videoübertragung
  • DSGVO-konformes und asynchrones Messaging statt umständlichem Faxen
  • Zeitersparnis durch weniger Telefonklingeln und weniger Warteschleife
  • Schneller Dateiversand hoher Datenvolumen bis 800 MB

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Meike Schmucker, LL.M. (Medizinrecht)

Meike Schmucker, LL.M. (Medizinrecht)

Nach dem rechtswissenschaftlichen Studium und Referendariat mit jeweils medizinrechtlichen Schwerpunkt und Masterstudiengang Medizinrecht war Meike Schmucker mehr als drei Jahre als juristische Referentin in der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe tätig. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag in der Bearbeitung von Plausibilitätsverfahren und abrechnungsrelevanten Widerspruchsverfahren. 2019 wechselte Meike Schmucker als Consultant Arztmarkt zur BFS health finance GmbH.
Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet von medizinrechtlichen Fragestellungen und kassenärztlichen Abrechnungsthemen. Dies umfasst unter anderem die Beratung zur Verbesserung der kassenärztlichen Abrechnung sowie die Begleitung und Unterstützung in abrechnungsbezogenen Prüfungsverfahren im Bereich der GKV.

Leah Grunewald
Leah Grunewald

Leah, Jahrgang 1984, ist seit Oktober 2021 als Content Marketing Managerin bei medflex an Bord. Als Kommunikationsexpertin
in der Health Care Branche spürt sie aktuelle Themen für die medflex Web-Seminare auf und befasst sich gerne mit der Telemedizin
im Krankenhaus, MVZ und Praxis sowie dem Arztalltagsgeschehen.